- Minenräumdienst 1919-1922 [1]
Im November 1918 war der Krieg beendet. Doch das deutsche Volk hungerte, Lebensmitteleinfuhren litten unter den Zerstörungen der Eisenbahn, und die Zufahrtswege zu den Häfen waren nicht minenfrei. Alle Minensuchfahrzeuge jedoch waren gemäß den Waffenstillstandbedingungen außer Dienst gestellt worden. Private Firmen boten sich an, die Minen zu räumen. Doch mit einem Gesetz über die Vorläufige Reichsgewalt (11.02.1919) wurde die deutsche Marine wieder handlungsfähig. Der Friedensvertrag von Versailles verpflichtete Deutschland, alle noch ausliegenden Seeminen zu räumen (Artikel 193).
Alle privaten Räumdienstleistungen wurden untersagt, die Marine übernahm die Aufgabe. Folgende Verbände wurden 1919 (wieder) aufgestellt:
1./I.Ostsee-Minensuchflottille ; 2./I.Ostsee-Minensuchflottille ;
3./II.Ostsee-Minensuchflottille ; 4./II.Ostsee-Minensuchflottille ;
5./III.Ostsee-Minensuchflottille ; 6./III.Ostsee-Minensuchflottille ;
7./IV.Ostsee-Minensuchflottille ; 8./IV.Ostsee-Minensuchflottille ;
Die V.Ostsee-Minensuchflottille befand sich im April 1919 in Aufstellung, wurde aber noch im selben Monat in die Nordsee verlegt
1./I.Nordsee-Minensuchflottille ; 2./I.Nordsee-Minensuchflottille ;
3./II.Nordsee-Minensuchflottille ; 4./II.Nordsee-Minensuchflottille ;
5./III.Nordsee-Minensuchflottille ; 6./III.Nordsee-Minensuchflottille ;
7./IV.Nordsee-Minensuchflottille ; 8./IV.Nordsee-Minensuchflottille ;
Die IV.Nordsee-Minensuchflottille besaß am 22.7.1919 nur A-Boote, die bald darauf a.D. gestellt wurden.
Die 7. Halbflottille ging an die I. NMSFl und die 8. Halbflottille an die III.NMSFL. Beide Halbflottille fuhren nunmehr M-Boote.
Die V.Nordsee-Minensuchflottille befand sich mit 9. und 10. Halbflottille in Aufstellung, wurde aber so nicht realisiert.
Die 9. Halbflottille ging an die II. NMSFL und die 10. Halbflottille an die IV.NMSL. Beide Halbflottille fuhren nunmehr F-Boote.
Die neue Aufstellung der Nordsee-Minensuchflottillen ab August 1919 sah so aus:
1./I.Nordsee-Minensuchflottille ; 2./I.Nordsee-Minensuchflottille ; 7./I.Nordsee-Minensuchflottille ;
3./II.Nordsee-Minensuchflottille ; 4./II.Nordsee-Minensuchflottille ; 9./II.Nordsee-Minensuchflottille ;
5./III.Nordsee-Minensuchflottille ; 6./III.Nordsee-Minensuchflottille ; 8./III.Nordsee-Minensuchflottille ;
10./IV.Nordsee-Minensuchflottille ; 11./V.Nordsee-Minensuchflottille.
Die IV. und V. NMSFL bestanden beide beide nur aus je 1 Halbflottille. Die 10. Halbflottille führte F-Boote, die 11. Halbflottille führte UZ-Boote.
In den Nordsee-Minensuchflottillen (F.d.M. Fregattenkapitän Gaudecker) kamen 88 M-Boote, 43 A-Boote, 27 F-Boote mit 2 Minenräum(mutter)schiffen zum Einsatz, in den Ostsee-Minensuchflottillen (F.d.M. Fregattenkapitän von Rosenberg) 55 Torpedoboote, 26 F-Boote mit 2 Mutterschiffen, 25 Fischdampfer und 2 M-Boote.
Genügend Räumfahrzeuge waren vorhanden, da jedoch die Personalstärke der Marine begrenzt worden war, musste, auf einen bestimmten Zeitraum begrenzt, freiwilliges Personal eingestellt werden. Aber eine für die damalige Notzeit gute Bezahlung brachte genügend Zulauf zu den freiwilligen Minensuchverbänden. Folgende Seegebiete wurden Deutschland von den Siegermächten zum Räumen zugewiesen:
- Südostteil der Nordsee, südlich 59° Nord und ostwärts 4° Ost
- Gesamte Ostsee ohne Finnischen Meerbusen
- Ostseeausgänge
- Minensperren im nördlichen Eismeer.
Die Räumaufgaben sollten bis 20. September 1920 erledigt werden. Die Arbeiten gingen zügig vonstatten, so dass die Hauptverkehrswege bereits im Juni 1919 minenfrei waren. Auf Drängen der dänischen und der schwedischen Regierung hatte man mit einigen Booten schon im Januar 1919 begonnen, die Ostseeausgänge durch Sund und Großen Belt freizuräumen. Nach Erledigung dieser Aufgabe entschloss sich die deutsche Admiralität, die Zahl der Räumfahrzeuge deutlich herabzusetzen und nicht mehr benötigtes Personal zu entlassen. Der Fortgang der Räumarbeiten verlangsamte sich, auch durch eine unzureichende Kohlenversorgung im 2. Halbjahr 1919.
Ende 1919 waren trotzdem in der Nordsee 3 Schifffahrtswege (10 Seemeilen breit) geräumt, und zwar ein Westweg von der Elbe bis nach Holland, ein Nordwestweg von Helgoland zur Doggerbank und ein Nordweg entlang der dänischen Westküste bis zum Skagerrak. 1920 konnten dann das ganze Nordseegebiet und das Kattegat freigegeben werden. In der Ostsee waren der westliche und mittlere Teil minenfrei, im östlichen und nördlichen Teil gab es noch zu tun.
Im Herbst 1920 kam es zu einer weiteren Reduktion der Minensuchverbände. Es verblieben noch 8 Halbflottillen mit 26 M-Booten in der Nordsee und mit 14 M- und 12 T-Booten in der Ostsee. 1920 hatte man sich bis auf Höhe Libau vorgearbeitet. Im Jahr 1921 blieben noch die restlichen Gebiete in der östlichen Ostsee zu räumen.
Für den Sommer 1921 waren darüber hinaus Räumaufgaben vor der Murmanküste und im Weißen Meer geplant. Dort, auf den Auslaufwegen russischer Kriegsschiffverbände hatten der Hilfskreuzer Berlin und mehrere U-Boote Sperren geworfen, um die Erztransporte aus Norwegen zu schützen. Fregattenkapitän Krah, dem Leiter des Minensuch-Außendienstes, standen dafür die 8. und die 11. Halbflottille mit je 8 Booten zur Verfügung. Am 21. Juli 1921 liefen beide Halbflottillen von ihrem Stützpunkt aus, um 2 Minensperren unter der Murmanküste zu räumen, doch Minen wurden nicht gefunden. Wahrend eine Halbflottille eine Sperre vor den Kolafjord suchte, lief die andere (mit dem Verbandschef) in das Weiße Meer ein, um die nächste Sperre zu räumen. Dabei wurden die M-Boote zunächst von einer sowjet. Küstenbatterie unter Feuer genommen, obwohl ein russ. Begleitboot bei der Halbflottille stand. Nach Klärung des Zwischenfalls wurden die Gebiete weiterer Sperren überprüft, ohne dass auch nur eine Mine gefunden wurde. Mit dem 31.08.1921 endete der Einsatz im Nördlichen Eismeer [4,162].
Am 8. August 1922 wurde die Dienststelle „Leiter des MS-Außendienstes“ aufgelöst. Die im Versailler Vertrag auferlegten Verpflichtungen waren erfüllt. 36 Minensuchboote wurden in die Reichsmarine übernommen, doch einen Minensuchverband gab es von 1923 bis 1930 nicht mehr.