Die Personalpapiere für das Mannschaftspersonal in der Deutschen Marine bis zur Verabschiedung des neuen Wehrgesetz 1921 und Schaffung der Reichsmarine

Von Rainer Vogel

Nach über 40 Jahren intensiver Beschäftigung mit der Kaiserlichen Marine insbesondere den Personaldokumenten der Matrosen bis hin zum Deckoffizier, konnte ich feststellen, dass diese eng mit dem Ausbau der Marine verknüpft waren. In den folgenden Ausführungen möchte ich unter Nutzung von Originaldokumenten, zum größten Teil aus meiner eigenen Sammlung dies verdeutlichen.

Vorausschicken möchte ich, dass die Angehörigen der Bundes-Kriegs-Marine, der Kaiserlichen Marine bis hin zur Reichsmarine, im Gegensatz zu den Angehörigen des Heeres bzw. den Marineangehörigen im 2.WK, kein Soldbuch besaßen.

Neben der typisch preußischen Listenführung (nachzulesen in „Organisation und Dienstbetrieb der Kaiserlich deutschen Marine“ von Ferber KK a.D.) wurde für jeden Mann bei seinem Eintritt zum aktiven Dienst folgende Unterlagen angelegt, die ihn während seiner aktiven Dienstzeit als auch „Reservedienstzeit“ begleiteten:

- Marine- Stammrolle
- Löhnungsbuch
- Führungsbuch
- Kleiderkontobuch
- Schießbuch
- Militärpass
- Überweisungsnationale

Im Weiteren gab es Dokumente die diejenigen Mannschaften nach Ihrer Musterung erhielten, welche nicht zum aktiven Dienst einberufen wurden oder konnten, wie

- Seewehr- Pass
- Marine- Ersatzreserve- Pass
- Ausmusterungsschein
- Landsturmschein
- Ausschließungsschein

Bei sämtlichen genannten Dokumenten ergaben sich im Laufe der Zeit Veränderungen inhaltlicher Art als auch vom Aufbau her.

Im ersten Teil möchte ich auf das wichtigste Dokument eingehen, was jeden Matrosen bis hin zum Deckoffizier nach Beendigung seines aktiven Dienstes begleitete und zwar den Militärpass.

Grundsätzlich erhielten die Mannschaften diesen erst nach Beendigung ihres aktiven Wehrdienstes zusammen mit einem braunen Futteral sowie Führungszeugnis.

Die Ausstellung erfolgte vom Kommando des Marineteils, für Fähnriche zur See und Seekadetten von der Inspektion des Bildungswesens, für Unterärzte vom Stationsarzt, für das Feuerwerks- und Torpedo-Unterpersonal, für die Artilleriewarte, für das Torpedo-Ingenieur- und Mechanikerpersonal sowie für das Personal des Vermessungswesens vom Vorstand der Behörde, für Marinegefangene vom Vorstand des Festungsgefängnisses (§ 20 MO).

Der Militärpass begleitete ein sein gesamtes Leben lang und war im deutschen Kaiserreich ein wichtiges Dokument, insbesondere im Umgang mit den Behörden.

Die oben erwähnte Überweisungsnationale (Inhalt entspricht dem des Militärpasses) wurde an das zuständige Bezirkskommando des angegebenen Entlassungsorts des Reservisten gesandt.

Bei Einberufung, sei es zu Übungen oder zur Mobilmachung wurde die Überweisungsnationale wieder an das entsprechende Marine-Teil gesandt. Die Einberufenen mussten ihren mitgeführten Militärpass beim Kommando des entsprechenden Marine-Teiles abgeben.

Vor Gründung der Marine des Norddeutschen Bundes erhielten die Mannschaften der Marine bei der Entlassung aus dem aktiven Dienst keinen Militärpass, sondern einen sogenannten „Urlaubspaß“.

In der „Militär-Ersatz-Instruktion für den Preußischen Staate vom 09.12.1859“ wurde im §175 Absatz F 13 festgelegt, das „Für die Marine verpflichtete Individuen nach erfüllter Dienstpflicht bei der Marine einen Urlaubspaß empfangen“.



Bild 1 - Muster Urlaubs- Pass
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Mit der Gründung der Marine des Norddeutschen Bundes unter Führung Preußens am 09.11.1867 stellte sich seitens des „Ober Commandos der Marine“ die Frage der Einführung eigener auf die Marine bezogene „Militair-Pässe“.

Im Dezember 1867 erfolgte die Vorstellung des ersten Musters.




Bild 2 - Erster handschriftlicher Entwurf 1867
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Bild 3 - Endgültiger Entwurf 1867
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Nach Vorstellung des ersten, oben links gezeigten noch handschriftlichen Entwurfes, wurde nach diversen Nachbesserungen, insbesondere zum Thema „Bestimmungen für die Mannschaften des Beurlaubtenstandes“, die rechts gezeigte Variante als endgültige verbindliche Ausführung genommen und in der Marine eingeführt.

„Alle Mannschaften, welche vom stehenden Heer und der Marine entlassen oder zur Disposition beurlaubt werden, erhalten einen Militair-Paß, bzw. Marine-Paß, so wie ein Führungs-Attest. Der Militair-(Marine) Paß dient ihnen in allen ferneren Lebensverhältnissen als Ausweis über ihr Militair- Verhältnis“.

(Aus Bestimmungen über den Militairdienst im Norddeutschen Bund Berlin 1868 §101)

Zusätzlich zu dem Pass und dem Führungs-Attest erhielten die in den Beurlaubtenstand entlassenen Mannschaften ein einfaches braunes Futteral zur Aufbewahrung o.g. Dokumente kostenlos ausgehändigt.

Sämtliche Militärpässe wurden in der königlichen Staatsdruckerei Berlin gedruckt.

Im Folgenden eine Abschrift über die Bestellung der Militärpässe als auch Überweisungsnationale und deren Kosten.



Bild 4
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Der inhaltliche Aufbau der Militärpässe war für alle Marine-Teile grundsätzlich identisch.

Unterschiede gab es lediglich bei den handschriftlichen Vermerken über die Zugehörigkeit zu den einzelnen Marine-Teilen auf dem Deckblatt, wie Division der Flotte der Ostsee, des See-Bataillons oder der See-Artillerie.




Bild 5 - MP Stamm- Division der Flotte Ostsee 1869
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Bild 6 MP See-Artillerie-Abteilung 1866
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Die Militärpässe waren grundsätzlich folgendermaßen aufgebaut:

- Bestimmungen für die Mannschaft des Beurlaubtenstandes
- Die reine Nationale mit den persönlichen Daten, Ausbildung, Beförderungen, Versetzungen, Orden und Ehrenzeichen, Teilnahme an Schlachten, Entlassungsdatum
- Verbleib in der Seewehr 1. und 2. Aufgebot
- Teilnahme an Übungen
- Meldungen und Beurlaubungen

Im folgenden Auszüge aus einem Militärpass eines ehemaligen Angehörigen der „Flotten-Stamm- Division der Ostsee“ aus meiner Sammlung.



Bild 7
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Nach Gründung des deutschen Reiches 1871 wurde die Bundes- Kriegs- Marine in die neugegründete Marine des deutschen Reiches eingegliedert und in Kaiserliche Marine umbenannt.

Die Reichsverfassung vom 20.4.1871 definierte die Marine als Reichsangelegenheit und sprach sowohl von „Reichsmarine" als auch von „Kaiserlicher Marine". Durch eine entsprechende Weisung Kaiser Wilhelms I. an den Chef der neuen Oberbehörde für die Marine vom 1.2.1872 wurde die Marine von diesem Tag an als „Kaiserliche Marine" bezeichnet. Aus dem Preußischen Marineministerium wurde damit die Kaiserliche Admiralität.

Gleichfalls wurde im Februar 1872 der Begriff „Marine-Teile“, welcher bisher generell für die Marine angewendet wurde eindeutig in ihrer Anwendung definiert und beschränkte sich nur noch auf die Matrosen-, Werft-, Torpedo-, See-Artillerieabteilungen und dem Seebataillon (MVBl. 1872, Nr.51, S.38).

Spätestens auf der Grundlage der am 28.09.1875 neu erlassenen Wehrordnung, die insbesondere die Militair- Ersatz- Instruktion von 26.03.1868 außer Kraft setzte, wurden die ersten Veränderungen der Militärpässe der Marine dokumentiert. Die größte Änderung erfuhren die Bestimmungen für die Mannschaften des Beurlaubtenstandes. Des Weiteren wurde der Preußenadler durch das kaiserliche Wappen sowie Aufschrift „Kaiserliche Marine“ ersetzt, äquivalent der Einführung neuer Dienstsiegel und Dienststempel im Mai 1872 (MVBl. 1872, Nr.112, S.91).



Bild 13 Militärpass, Futteral, Führungs-Attest eines Angehörigen der I. Matrosen-Division
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Ebenfalls wurde die Eintragung erfolgter spezieller Ausbildung angewiesen (MVBl. 1883, Nr.170, S 184).

Im folgenden Auszüge aus einem Militärpass Jahrgang 1875 eines ehemaligen Angehörigen der „II. Matrosendivision“.


Bild 14
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Der erste, auf die Marine auch im inneren zugeschnittene Militärpass wurde noch vor Einführung der ersten Marineordnung 1883 ausgegeben.Veränderungen erfolgten auf dem Einband (Veränderung Schreibweise Militär-Paß) sowie im inneren.

Allerdings waren nach wie vor die Einbände für alle Marine-Teile identisch.




Bild 18 MP See-Bataillon 1875
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Bild 19 MP I. Werft-Division 1875
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Inhaltlich wurden die persönlichen Daten, Dienstantritt wann und wo, Beförderungen, Datum und Art der Entlassung und von welchem Marine-Teil, Auszeichnungen, Feldzüge, Seereisen auf Kriegsschiffen, besondere militärische Ausbildung und Qualifikationen, Ausfertigungsort und Datum vermerkt. Weiterhin wurden Einträge zum Übergang zur Seewehr, sowie Meldungen, Beurlaubungen und Teilnahme an Übungen aufgeführt.

Der Aufbau wurde „Marinespezifisch“, was folgende Ausschnitte aus einem MP eines Angehörigen der II. Matrosen-Division verdeutlichen:



Bild 20
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Bild 21
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Bild 22
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Auf der Grundlage der ersten Marineverordnung von 04.12.1883 erfolgte die nächste auf die Marine bezogene Änderung der Militärpässe.

So wurde erstmals schon auf Grund des Äußeren (Deckel in weißer Farbe, mit schwarz-weiß-roter Einfassungen, an den Ecken eiserner Kreuze) erkennbar, dass es ein Angehöriger der Marine war.

Im Inneren der Pässe erfolgte keine Änderung. Die Pässe waren inhaltlich identisch der Letzt gezeigten.

Eine eindeutige optische Zuordnung zu den einzelnen Marine-Teilen war immer noch nicht ersichtlich. Nach wie vor, wurde dies auf dem Deckblatt handschriftlich vermerkt.



Bild 23 MP See-Bataillon 1881
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Bild 24 MP I. Matrosendivision 1886
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Diverse Unterschiede auf dem Deckblatt ergaben sich daraus, dass die Pässe nicht mehr zentral in Berlin gedruckt wurden, sondern jeweils in Druckereien im Ostseebereich (Druckerei C. Schaidt Kiel) bzw. Nordseebereich (Druckerei Th. Süß Wilhelmshaven), wobei es diese Unterschiede in den späteren Ausführungen nicht mehr gab!

Auf der Grundlage der Deutschen Wehrordnung von 1888 und der nachfolgenden Marineordnung von 1889 wurde erstmalig eine optische Erkennung der Militärpässe zu den einzelnen Marine-Teilen eingeführt. Gleichzeitig wurde auch das Innere, insbesondere der Punkt -Seereisen-, begründet in der Expansion des Deutschen Reiches und den damit verbundenen erweiterten Aufgaben der Marine unter der Regentschaft von Kaiser Wilhelm II., verändert.

Auch wurde die Schreibweise in „Militärpaß“ verändert und oberhalb des Marine-Adlers sowie unterhalb des Vermerkes „Jahresklasse ….“ein 0,4 cm breiter und 4 cm langer farbiger Strich zur optischen Unterscheidung der Marine-Teile eingeführt.

So erhielten Angehörige der

- Matrosendivisionen: einen roten Strich
- Werftdivisionen: einen blauen Strich
- Torpedoabteilungen: einen dunkelgelben Strich
- Marineinfanterie: einen grünen Strich
- Matrosenartillerie: einen braunen Strich

Wie bereits bei den Pässen in der Vergangenheit, wurde jedem Pass „Die Bestimmungen für die Mannschaften des Beurlaubtenstandes der Marine“ vorgeheftet. Auch erhielten die Mannschaften ein braunes Futteral nebst Führungszeugnis.



Bild 25 MP II. Matrosendivision
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Bild 26 MP II. Werftdivision
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Bild 27 MP Torpedoabteilung
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Bild 28 MP Marineinfanterie (Seebataillon)
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Bild 29 MP Matrosenartillerie
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Bild 30 Futteral
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Interessant ist in diesen Zusammenhang, dass bei einigen Ausführungen der Pässe, rechts unten auf den Deckblatt in lateinischen Buchstaben der Marineteil sowie links unten die Formularnummer vermerkt wurde. Diese Ausführungen wurde nur im Bereich der Nordsee festgestellt.

(Hersteller der Pässe die Druckerei Th. Süß in Wilhelmshaven, sowie für die Pässe der ehemaligen Angehörigen der Marineinfanterie (Seebataillon) die Reichsdruckerei in Berlin)

Die größte Veränderung erfolgte in der Schaffung eines separaten Punktes 11 „Auf S.M. Schiffen und Fahrzeugen bez. auf Ablösungstransportdampfern“.

Hier wurden die Fahrten auf den verschiedenen Schiffen Datumgenau eingetragen, unterteilt in heimische und ausländische Gewässer. Für die Gebührnisberechnung spielte auch das damalige F.G.V.R. (Friedens- Geldverpflegungs- Reglement) bzw. später die F.B.V.d.M. (Friedens- Besoldungsvorschrift der Marine) eine große Rolle.



Bild 31 Auszug aus einem Militärpass eines ehemaligen Besatzungsmitgliedes von S.M.S. Leipzig
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In der darauffolgenden Marineordnung von 1894 ergaben sich keine wesentlichen Änderungen im Aufbau und Aussehen der Militärpässe der Kaiserlichen Marine.

Die nächste größere Änderung im Aussehen der Militärpässe der Kaiserlichen Marine wurde in der Marineordnung von 1904 angeordnet.

Es wurde festgelegt:



Bild 32 (Ostseebereich mit Punkt hinter den Buchstaben / Nordseebereich ohne Punkt)
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Bild 33 MP II. Matrosendivision
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Bild 34 MP II. Werftdivision
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Bild 35 MP II. Torpedoabteilung
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Bild 36 MP Matrosenartillerie
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Bild 37 MP Marineinfanterie (Seebataillon)
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Weitere Ausführungen der Militärpässe folgten in der Ära unter Tirpitz, auch unter Beachtung der Flottengesetze.

Einerseits wurden die Ausführungen der Matrosen- und Werftdivisionen der Matrosenartillerie und der Seebataillone übernommen, andererseits Ausführungen durch Schaffung neuer Marineteile hinzugefügt.

Mit Gründung der I. und II. Torpedodivision am 01.10.1906, welche aus der I. und II. Torpedo- Abteilung entstanden, ergab sich auch die Notwendigkeit diese entsprechend auf dem Militärpass einzuführen.

So wurde statt einem A., rechts neben dem Adler, ein D eingefügt (M. O. von 1909 Muster 8 § 20)

Mit der Teilung der „Inspektion der Marineartillerie“ in die „Inspektion der Schiffsartillerie“ und in die „Inspektion der Küstenartillerie und des Minenwesens“ im Oktober 1904, wurde im Zuge des Ergebnisses des russisch-japanischen Krieges zunächst eine selbstständige Minenkompanie und später eine Minenabteilung aufgestellt. Hierbei handelte es sich um fahrende Einheiten. Für diese Einheiten wurde eine eigenständige Ausführung des Militärpasses eingeführt.



Bild 38 MP II. Torpedodivision
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Bild 39 MP I. Minenabteilung
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Diese Festlegungen wurden noch in der letzten gedruckten Ausgabe der Marineordnung vom 03.04.1909 dokumentiert.



Bild 40
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Da die letzte Marineordnung des Kaiserreiches 1909 erschien, wurden die meisten Ergänzungen in den dazugehörigen Deckblättern dokumentiert. Leider konnte ich diese bisher nur bis Deckblatt Nr. 150 vom Juli 1913 einsehen.

Durch die Entwicklung der Unterseeboote (das erste Unterseeboot lief 1906 vom Stapel und wurde im selben Jahr in Dienst gestellt) erfolgte am 10.10.1910 die Bildung der Unterseebootsschule und der ersten Unterseebootsflottille, sowie am 11.03.1914 die Bildung der „Inspektion des U- Bootwesens“. Im Verlauf dessen wurde auch für diesen Marineteil eine eigenständige Ausführung des Militärpasses eingeführt.



Bild 41
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Bild 42 MP Unterseebootsabteilung, gefahren auf U-139
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Mit dem Aufkommen von Flugzeugen und Luftschiffen beobachtete das R.M.A. zunächst auch hier zuerst die Entwicklung und griff nach entsprechender technischer Weiterentwicklung dann auch aktiv ein, wobei zunächst eine gewisse Bevorzugung der Luftschiffe gegenüber den Flugzeugen erfolgte. Mit A.C.O. vom 03.05.1913 wurde eine Marine-Luftschiff-Abteilung und am 01.06.1913 eine Marine- Flieger-Abteilung aufgestellt.

Weitere konkrete Angaben zur Entwicklung, Aufbau, Struktur insbesondere auch Aufbau im 1. Weltkrieg sind auf der folgenden Webseite ersichtlich:
Des Kaisers blaue Flieger

Bedingt durch die Schaffung der oben genannten neuen Marine-Teile, stellte sich auch hier die Frage der Einführung entsprechender Militärpässe für das Mannschaftspersonal, welche diese bei deren Entlassung aus dem aktiven Wehrdienst ausgehändigt bekamen.

Ein weiteres Problem war, dass während des 1. Weltkrieges weitere verschiedene Fliegereinheiten aufgestellt wurden und eine „planmäßige“ Entlassung nicht stattfand (Kriegszustand).

Bisher konnten Pässe aus dem Bereich der Nordsee, und zwar von der II. See-Flieger-Abteilung sowie den Marine-Luftschiff-Abteilungen mit entsprechenden originalen vorgedruckten Einbänden nachgewiesen werden. Der inhaltliche Aufbau ist identisch der der anderen Marineteile.

Ausgestellt wurden diese Pässe bei der Demobilisierung 1918.

- Seeflieger- Abteilung: S.F.A., mit lila Strich
- Marine- Luftschiff- Abteilung: M.L.-A., mit lila Strich

Leider konnte ich bisher kein konkretes Datum finden, wann solche Pässe eingeführt wurden.



Bild 43 MP II. See-Flieger-Abteilung
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Bild 44 MP Marine-Luftschiff-Abteilung
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Aus dem Ostseebereich sowie von anderen Fliegereinheiten konnte ich bisher lediglich Pässe mit handschriftlichen Vermerken bzw. Stempelungen auf dem Einband dokumentieren.

Hierzu wurden einmal Pässe anderer Marineteile sowie auch Vordrucke von Pässen der II. See- Flieger-Abteilung verwendet, was folgende Beispiele verdeutlichen:



Bild 45 MP Marine- Landfliegerabteilung
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Bild 46 MP I. See-Flieger-Abteilung
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In Ergänzung zu dem braunen Futteral für den Militärpass bestand die Möglichkeit, eine dekorative Hülle im Effektenhandel käuflich zu erwerben.

Hierbei gab es verschiedene Ausführungen für jedes Bord- oder Landkommando, so als Futteral oder als Klapphülle. Die Hüllen waren in der Regel blau. Andere Farben sind durchaus möglich, wurden aber nicht oft verwendet.




Bild 47 Klapphülle 1. Matrosendivision
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Bild 48 Klapphülle 1. Werftdivision
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Bild 49 Klapphülle II. Torpedoabteilung
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Bild 50 Allgemein gehaltene Klapphülle Paß-Tasche
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Bild 51 Futteral Matrosendivision
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Bild 52 Futteral Werftdivision
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Bei den beiden folgenden Futteralen handelt es sich um stark abgegriffene Exemplare, bei denen die Schrift nicht mehr deutlich lesbar ist.




Bild 53 Futteral Aufschrift S.M.S. „Ostfriesland“
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Bild 54 Futteral Aufschrift S.M.S. „König Albert“
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Bild 55 Klapphülle
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Bild 56 Futteral Aufschrift II. Werftdivision
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Interessant ist, dass bei den Bezeichnungen der Marine-Teile verschiedene Schreibformen der Zahlen (arabisch oder römisch) verwendet wurden.




Bild 57 Klapphülle mit arabischer Zahl
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Bild 58 Klapphülle mit römischer Zahl
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Durch den Ausgang des I. Weltkrieges wurde die von Kaiser Wilhelm II. besonders geförderte Marine praktisch auf den Nullpunkt zurückgeworfen. In der öffentlichen Meinung entstand daher die Frage nach ihrem Wert in der Vergangenheit überhaupt, zumal die Erfahrungen aus den zwei Kriegen um Schleswig-Holstein mit der Blockade der deutschen Küsten durch die Marine des kleinen dänischen Königreiches längst in Vergessenheit geraten waren. Die Kaiserliche Marine konnte den Krieg für Deutschland nicht entscheidend beeinflussen.

Am 16.4.1919 wurde durch die Nationalversammlung das Gesetz über die Bildung der „Vorläufigen Reichsmarine“ verabschiedet.

Durch die Bildung der Vorläufigen Reichsmarine standen die Personalämter vor der Frage, welche Militärpässe nach der Entlassung aus dem Dienst für das Personal zu verwenden seien.

Neben der Nutzung der alten Pässe, insbesondere zur Beschleunigung der Demobilisierung Ende 1918 / Mitte 1919, was folgender Pass eines Maschinisten-Maates der II. Werftdivision Jahrgang 1914 verdeutlicht,



Bild 59 MP Reichsmarine
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wurden zwei unterschiedliche Passvarianten im Nord-bzw. Ostseebereich eingeführt.
Das Datum der Einführung ist nicht bekannt.

Die am meisten zum Einsatz gekommene Variante ist die der „Station der Ostsee“. Der Aufbau außen beruht auf den, in den Ausführungsbestimmungen für die Bildung der Vorläufigen Reichsmarine, getroffenen Festlegungen, wie Umbenennung in Reichsmarine, Wegfall Bezeichnung und farbliche Kennzeichnung der verschiedenen Marineteile; Kommandozeichen und Kriegsflaggen der bisherigen Marinen blieben. Der Aufbau im Inneren blieb, es wurden lediglich die Abstände zwischen den einzelnen Punkten vergrößert, sowie die Position „Nachträge“ mit konkreten Unterpunkten eingefügt.

Die „neue“ Passvariante kam bei Entlassung für alle Marineteile zur Anwendung.




Bild 60 MP I. Werftdivision
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Bild 61 MP I. Matrosendivision
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Bild 62 MP I. Torpedo-Division
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Bild 63 MP I. Seeflieger Abteilung
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Im Nordseebereich konnte folgende Passvariante vereinzelt nachgewiesen werden. Diese hat den Aufdruck Stationspersonalamt N. seem. Abteilung und es wurde bei den mir vorliegenden Pässen (Ausstellungsdatum um 1920) der nicht adaptierte Stempel der Seeflugstation Flandern I verwendet! Gleichfalls wurde auch noch die farbliche Zuordnung zu einem Marineteil, welche 1909 eingeführt wurde, verwendet.

Der innere Aufbau wurde nicht verändert.




Bild 64 MP eines Obermaates der ehemaligen II. MD
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Bild 65 MP eines Matrosen Jahrgang 1919
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Die Stationspersonalämter wurden am 10.05.1919 gebildet, bereits zum 01.03.1922 wieder aufgelöst und hatten die Aufgaben der früheren Stammmarineteile zu erfüllen.

Diese Variante konnte auch bei der Entlassung von Mannschaften der Marine-Landflieger im Bereich der Nordsee nachgewiesen werden.



Bild 66 MP eines Flugzeug Mechaniker Maaten
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Hierbei wurde der Begriff Stationspersonalamt N. seem. Abteilung durch Marine=Landflieger=Abteilung ersetzt und es wurde die farbliche Kennzeichnung für diesen Marineteil verwendet.

Als Stempel kam, im Gegensatz zu den durch das Stationspersonalamt N. ausgestellten Pässen, der der Marine=Landflieger=Abteilung zum Einsatz.

Eine Besonderheit bildet folgende Passausführung.

Diese erhielten Fähnriche zur See oder Seekadetten bei Ihrer Entlassung aus dem aktiven Dienst wegen Nichteignung zum Offizier, nachdem sie mindestens ein Jahr Dienstzeit hinter sich hatten (§ 23 MO) oder wie folgender Pass wegen Demobilisierung der Marine und Abbruch der Ausbildung an der Marineschule.



Bild 67 MP eines Seekadetten
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Abschließend möchte ich bemerken, dass die hier gezeigten Beispiele nicht alle Passausführungen abbilden.

Mit Verabschiedung des neuen Wehrgesetztes am 23.03.1921 wurde der Status einer „Vorläufigen Reichsmarine“ beendet. Es erfolgte die Umbenennung in Reichsmarine (RM) rückwirkend zum 1.1.1921. Am 1.1.1922 wurde die bis 31.12.1921 verwendete Kriegsflagge des Kaiserreichs abgelöst durch die Kriegsflagge der Reichsmarine: schwarz-weiß-rote Balken, in der Mitte ein eisernes Kreuz und im Liek (Ecke oben links) die schwarz-rot-goldenen Reichsfarben der Republik. Die Farben im Liek wurden 1933 wieder entfernt.

Mit der Gründung der Reichsmarine wurden auch komplett neue Militärpässe eingeführt, welche dann einheitlich in einem neuen blauen Einband gehalten wurden, ohne irgendwelchen optischen Bezug auf die Marine-Teile.

Diese Ausführungen wurden, mit mannigfaltigen Veränderungen im inhaltlichen Aufbau, bis 1935 verwendet. Mit Umbenennung in Kriegsmarine wurde auch der Militärpass abgeschafft und auch für alle Marineangehörigen, jeglichen Dienstgrades, Soldbücher und Wehrpässe eingeführt.



Bild 68 Militärpass Reichsmarine
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Abkürzungen:

- A.C.O. Allgemeine Kabinetts Order
- MP Militärpass
- MD Matrosendivision
- WD Werftdivision
- TD Torpedodivision
- TA Torpedoabteilung
- SB Seebatalion
- MVBl. Marine- Verordnungsblatt
- MO Marineordnung

Quellen:

- Militär-Ersatz-Instruktion für die Preußischen Staaten vom 09.12.1859
- Bestimmungen über den „Militairdienst im Norddeutschen Bund“, Berlin 1868
- Marineordnung Militärische Ergänzungsbestimmungen zur Deutschen Wehrordnung, Ausgaben von 1883, 1889, 1894, 1904, 1909 (inklusive Deckblätter 1-150)
- Marine-Verordnungsblatt, diverse Auflagen
- Pässe Sammlung Rainer Vogel
- Bilder 46 und 63 Sammlung Alexander Notopol, Des Kaisers blaue Flieger
- Bilder 06 und 65 Sammlung Sönke Linning
- Bild 66 Sammlung Van der Beke
- Bundesarchiv Freiburg RM 3/714
- Bundesarchiv Freiburg RM 20/116

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