Erlebnisbericht eines der ersten Stabsmatrosen des
RS-Bootes 733 der Volksmarine (Waffenleitgast)


(Text: SM a.D. Gert Hallbauer / Fotos: SM a.D. Gert Hallbauer und SM a.D. Klaus Patzig)


Vorbereiten und Auslaufen
Uns wurde mitgeteilt, ab ungefähr Mitte Oktober 1965 geht es etwa für drei Monate nach Tallin zur Montage der Funkmess-Waffenleitanlage MR 104.
Für den Oktober wurde schon eine Urlaubssperre verhängt, ist ja auch verständlich. Privat hatten wir uns schon darauf eingerichtet, mehr Sachen für diesen Aufenthalt usw.
Jetzt war es auch an der Zeit das Boot auszurüsten. Alles was nicht Niet- und Nagelfest war wurde organisiert. Im Funkraum wurden ein Radio und ein Tonband stationiert. Ein oder zwei 16mm Projektoren wurden angeliefert. In der Mannschaftsmesse des Wohnschiffes lag noch eine Leinwand und irgendwo ein Lautsprecher, die waren dann unser Inventar und von ihren alten Orten verschwunden.

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Hier eine kleine Episode. Der Bootsmann des Wohnschiffes rüstete gerade seine Last mit Toilettenpapier und alle möglichen Waschmittel aus. Die Pakete brachte er an der Seite des Wohnschiffes und legte sie hinter dem Schott im Quergang ab. Unterdessen kam unser LI und verwickelte ihn in ein längeres Gespräch, in dieser Zeit brachten wir einige Sachen auf der anderen Seite raus und verstauten alles in unserer Achterlast.
In den letzten zwei Wochen des Oktobers hatten wir Landgangssperre, weil jeden Tag mit dem Eintreffen der Schlepper gerechnet werden konnte. Das war nicht so Schlimm, denn es waren sowieso keine Urlauber mehr da, und Bier hatten wir auch. Aber langsam wurden wir auch unruhig und überzeugten unseren I.WO Leutnant Sirok für uns noch einen Landgang zu organisieren. Jedenfalls hatte unser I.WO es geschafft noch einen Landgang nach Dranske zu genehmigen. wahrscheinlich tranken und aßen wir nicht zu wenig, denn der Wirt beschwerte sich nicht. Auch der Heimweg fiel nicht so aus, wie der Rückmarsch am Anfang des Films „Das Boot“. Als wir die Landenge zum Stützpunkt querten, sahen wir die Top-Lichter der Schlepper im Libben auf Reede.
An Bord angekommen ging es sofort in die Koje. Früh wurde dann Alarm ausgelöst. Es wurde ernst. Wie im Beitrag beschrieben (ich war mir nicht sicher), wurden wir mit unseren Schleppern auf Reede geschleppt und den sowjetischen Hochsee-Schleppern übergeben. Als uns die sowjetischen Schlepper am Haken hatten ging es los. Es war wie eine Kaffeefahrt rund um Rügen.
Die 732 ist ausser Sichtweite. So ging es den ganzen Tag.






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Langsam bedeckte sich der Himmel und es kam Sturmwarnung.
Alles was bis jetzt noch nicht gesichert war, wurde jetzt schnell erledigt. Auch alle Abteilungen noch einmal überprüft.
Über Funk wurden alle Boote der Volksmarine zum Einlaufen aufgefordert. Aber wir konnten ja nicht, hingen auf „Gedeih und Verderb“ am Haken der sowjetischen Schlepper.


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Das hatte auch sein Gutes, denn ich versuchte mich als Nautiker. Wer weiß wo wir gestrandet wären.
Es wurde immer stürmischer, die Schlepper gaben maximale Leine (ca. 350m).
Wenn man mit eigener Kraft läuft, gibt es ein schlingern und stampfen, was man mit der Zeit kontrollieren kann.
Aber an der Leine waren wir wie ein Spielball den Wellen ausgesetzt. Wenn man dachte, jetzt geht es nach links, da flogen wir schon in eine andere Richtung. Es war unkontrollierbar, und das drei Tage und Nächte.
Das Schlimmste war, wir mussten auf Stopp gehen. An der Schleppleine traten Scheuerstellen auf, die wir durch umwickeln mit Segeltuch schützten.
In der Zeit lagen wir längsseits zur Dünung und schlingerten mit maximal 45° Schlagseite. Es wurde erst wieder ruhiger als der Schlepper Fahrt aufnahm. Danach spannten wir Strecktaue von der Brücke, durch die Griffstangen der Waffe zur Bugspitze und auf der anderen Seite zurück. Somit hatte die Wache die Möglichkeit sich an der Reling und am Tau festzuhalten. Die meiste Zeit der Wache verbrachten wir hinter der Waffe in Deckung.
Aber für einige von uns war es wohl eine neue Erfahrung.
Hat man sich vorn in der Toilette befunden, sah man wie sich der Decksbelag bewegte.
Was ich selber nicht wusste, aber erst durch den Bericht erfahren hatte, dass die Schlepper selbst Baltijsk anlaufen wollten, aber keine Genehmigung bekamen. Also mussten wir weiter. In der Freiwache saßen wir im 12-Mann-Deck. Wir aßen Abendbrot. Einer griff in seinen Spind und holte eine Flasche Weinbrand raus. Als wir den “Verdauungsschnaps“ tranken, sagte einer unserer Maschinisten, der auf der Koje lag: “Wir liegen dem Tod auf der Schippe und ihr macht einen Prasdnik“.
Einige Zeit später knaute der Bootsmann, dass es im Deck aussieht wie bei Hempels unterm Sofa und wollte wohl zum Kommandanten. Einer aus der Mannschaft sagte: „Gert komm mit“. Wir sind alle Beide in die Kombüse und schmierten uns jeder eine dicke Schinkenbemme, dann ab zur Brücke. Da es unseren Bootsmann auch nicht gerade gut ging, stellten wir uns rechts und links neben ihn und aßen in aller Gemütlichkeit.


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Es kam nie wieder eine Beschwerde, aber sobald sich das Wetter besserte wurde das Boot aufgeklart.

Als der Sturm sich gelegt hatte und wir unser Boot aufgeklart hatten, erreichten wir Tallin. Wir legten in der Werft Koopli an. Vorgesehen war der Zerstörerhafen mitten in der Stadt, den ich allerdings nie gesehen habe.
Der Empfang war freundlich, aber er spielte sich bei unseren Vorgesetzten ab. Wir machten unser Boot hafenklar und harrten der Dinge die da kommen.
Am nächsten Tag, es war der 11.11., mussten wir unsere gesamte Munition und die Handfeuerwaffen übergeben. Es kam die erste Verpflegung von sowjetischer Seite. Des Weiteren wurde die Rückführung von ungefähr einer Besatzung vorbereitet.
Um hier nicht abzuschreiben, zitiere ich der Einfachheit halber einen Ausschnitt aus dem Bericht von Kapitän zur See a.D. Dieter Pietsch:

„Als Verantwortlicher für die Überführung der Boote, die Klärung aller sich nach dem Eintreffen ergebenden Fragen sowie die Rückführung der halben Besatzungen, befand sich der Stabschef der Brigade, Korvettenkapitän Thieme, an Bord. In souveräner Art und Weise hat er alle anfallenden Fragen in kurzer Zeit geklärt. Er sprach russisch wie ein Russe, kannte die Mentalität und stellte gute Kontakte zu allen für uns wichtigen Personen her - vom Werftkommandant bis zum Chefingenieur.
Nach einigen Tagen, die Einführung war abgeschlossen, reiste der Stabschef mit den nur für die Überführung der Boote mitgenommenen Besatzungsteilen ab. Zurück blieben zwei Boote und insgesamt 45 Mann. Diese teilten sich wie folgt auf: sechs Bordoffiziere und 35 Unteroffiziere und Matrosen, vier zukommandierte Offiziere.

Die Bordoffiziere von 732 waren:
- Oberleutnant z. See Pietsch, Kommandant;
- Leutnant Ing. Schönfeld, Leitender Ingenieur;
- Unterleutnant z. See Große, II. Wachoffizier.
Die Bordoffiziere von 733 waren:
- Leutnant z. See Sirock, I. Wachoffizier;
- Leutnant Ing. Pesler, Leitender Ingenieur;
- Unterleutnant z. See Uhlig, II. Wachoffizier.
Eine Besatzungsliste aller Unteroffiziere und Matrosen liegt leider nicht vor, das Gedächtnis gibt nach so langer Zeit nicht mehr alle Namen her. Zukommandiert waren:
• Korvettenkapitän Schrut von der Politabteilung der Brigade als Stellvertreter für politische Arbeit. An Lebensjahren älter, an Diensterfahrung reicher als alle anderen Offiziere, hat er entscheidend dazu beigetragen, dass sich alle unter den ungewohnten Bedingungen zurecht gefunden haben.
• Korvettenkapitän Lau vom Kommando der Volksmarine als Dolmetscher. Neben seinen für uns alle wichtigen Sprachkenntnissen war sein sachliches und bescheidenes Auftreten eine große Hilfe.
• Oberleutnant Hiller, Funktechnischer Offizier im Stab der Brigade. Er war von vorn herein für alle technischen Fragen verantwortlich, schließlich ging es um den Einbau von Funkmessanlagen. Später kam noch mehrfacher Maschinenwechsel hinzu. Schon bald war er für alle der „Technische Direktor".
• Oberleutnant Tippach von den Rückwärtigen Diensten der Flottille. Er sollte bereits beim Einbau der Anlagen dabei sein, um Erfahrungen im Umgang mit ihnen besonders hinsichtlich Wartung und Reparatur zu sammeln. Er hat durch sein fröhliches und aufgeschlossenes Wesen im Kollektiv eine sehr gute Rolle gespielt.
Alle vier hatten ausgezeichneten Kontakt zu den Besatzungen. Sie lebten mit den Bordoffizieren in den engen Offizierskammern der Boote, gehörten in jeder Beziehung dazu. Sie haben sich den Bordoffizieren als wirkliche Hilfe in der täglichen Arbeit mit den Besatzungen erwiesen. Galt es doch, so manche Frage zu klären, die sich aus dem Erleben des sowjetischen Alltages ergab. Der Unterschied zwischen Theorie und Praxis war unübersehbar. Das zu Hause vermittelte geschönte Bild über die Sowjetunion entsprach nicht den Realitäten. Besonders hinsichtlich der Nationalitätenpolitik und des Lebensstandards gab es Widersprüche.“

Ich dächte die Korvettenkapitäne Schrut und Lau nahmen bei uns Quartier. Des Weiteren möchte ich versuchen, die Besatzungsliste weiter zu vervollständigen.
Ein Fotografieren im Werksgelände traute ich mich nicht, wahrscheinlich auch kein anderer. Die Arbeiten zum Aufbau der Waffenleitstationen begannen sofort.
Munition und Waffen waren weg, die Arbeiten begannen und bei uns trat der Alltag ein.
Er bestand aus der Wartung unseres Bootes und dem Wachablauf.
An Sold bekamen wir 15 Rubel im Monat. Wie uns Leutnant Sirok mitteilte, sollten wir einen Verpflegungssatz von 85 Kopeken/Tag, wie es in der SU üblich war, bekommen.
Aber durch Verhandlungen der VM bekamen wir 2 Rubel/Tag. Von der Verpflegung her kann man sagen, wir haben sehr gut gelebt, wenn es auch nicht alles gab, was wir von zu Hause aus kannten.
Eines Tages bekamen wir einen Karton, ca. 800x800x800 mm3, mit tief gefrorener Bockwurst.

Dann gab es natürlich früh, mittags und abends Bockwurst. Daraufhin wurde ein zweites Frühstück eingeführt, was es bei der Marine bis dahin wahrscheinlich noch nicht gab.
Natürlich gab es auch Probleme, die wir selber lösen mussten. Ein Kamerad war Frisör oder hatte das Talent dazu, er schnitt uns die Haare.
Waschen war ein anderes Problem. Zwei Becken vor der Toilette. Da kam es schon mal vor, dass man den Stöpsel ins Becken steckte, zur Kombüse ging und 10 Hübe mit der Handpumpe machte. Wenn man wieder vorne war hat sich ein anderer gewaschen. Aber so was trägt man mit Humor, sonst wär’s langweilig geworden.

Mit dem Ausgang war es auch ein Problem. Anfangs durften wir nur in Begleitung mit sowjetischen Genossen nach Tallin. Uns wurde alles gezeigt, was Zeigenswert war.
Tallin ist eigentlich eine wunderbare Stadt, besonders die Altstadt. Eine alte Festungsstadt.
Hier einige Impressionen.

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Spannend wurde es erst als wir frei laufen konnten, doch dazu später.

Die Montagearbeiten gingen zügig voran.
Gemeinsame Ausgänge haben wir eigentlich immer Besatzungsweise absolviert. Es war immer ein Teil der Besatzung an Bord.
Ein Teil besichtigte eine Likörfabrik, dort war Verkostung aller Art. Schade, ich war nicht dabei.

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Wir lernten auch den dortigen Matrosenklub kennen. Es war Tanz. Die Mädchen saßen an der Wand in einer Reihe, die Soldaten standen rum oder saßen auch am Rand. Für uns völliges Neuland.
Wie wir’s gewohnt waren, baten wir die Dame höflich zum Tanz, das waren diese nicht gewohnt. Der Partner packte sie an die Hand und zog sie auf die Tanzfläche. Genauso war es wenn der Tanz zu Ende war, jeder ging seinen Weg zum Platz. Anfangs standen wir oft allein auf der Tanzfläche bedeppert rum. Aber die Mädchen gewöhnten sich an unsere Höflichkeit, denn dann hatten wir die Nase vorn.
Alkohol gab es für Exkragenträger nicht. Es gab verdammt süße Brause und Bonbons.








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Nun ging es langsam Weihnachten entgegen und wir brauchten vier Weihnachtsbäume.
Das den russischen Menschen beizubringen, war schwer, da sie Weihnachten nicht kannte und im Januar Väterchen Frost feiern, der ja dann auch kam. Wir bekamen vier Stück, aber woher weiß ich auch nicht mehr.







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Jedes Boot bekam zwei Bäume. Einen fürs Zwölf-Mann-Deck und einer kam an jeden Mast.
Unsere E-Gasten bekamen den Auftrag die Beleuchtung zu organisieren. Mit Fassungen, Birnen und Glühlampentauchlack aus den Werkstätten der Werft wurden wir gut bedient.
Das war ja auch die zivile Seite.
Auf der militärischen Seite sah es anders aus. Ich wartete die Geräte der Vorstartkontrolle.
Es traten Fragen zur Reparatur unseres Horizontkreisels auf. Unser Dolmetscher fragte die Spezialisten, die ja den Artgleichen im Umformerraum nebenan montierten. Im Prinzip waren der Aufbau und die Funktionsweise gleichwertig. Nur unserer war eckig und der neue rund.






Wir bekamen keine Auskunft und guckten etwas dumm aus unserer Wäsche, in Bezug auf Waffenbrüderschaft. Militärische Geheimnisse haben eben Vorrang.
Da wir unsere Wartung allein durchführten, was den Spezialisten ja nicht entgangen ist, sagten sie zu uns: „Du Ingenieur“. Damals wusste ich noch nichts damit anzufangen. Seit 1988 bin ich es selber.


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Die Weihnachtsbäume hatten wir.
Da ja nun auch mittlerweile der Winter eingesetzt hatte, und wir mit solchen Temperaturen nicht gerechnet haben, bestellte wir zu Hause Unterwäsche usw. Die Pakete wurden an die Einheit geschickt. Die Marine übernahm den Transport. Aber wie im o.g. Bericht schon geschildert, wurde Zoll verlangt, den wir nicht erstatten mussten.
Weihnachten rückte immer näher und es kam der 24. Dezember, der Tag der Bescherung.
Alle harrten, was da kommen wird.
In einem 12-Mann-Deck fand die Bescherung statt. Ich glaube Korvettenkapitän Schrut spielte den Weihnachtsmann. Wir bekamen unsere Pakete ausgehändigt. Des Weiteren bekam jeder eine Flasche „Wernesgrüner Pilsner“, eine 10er Schachtel F6 und ein Buch „Man wird nicht als Soldat geboren“ mit eigenhändiger Widmung von Korvettenkapitän Ehm. Weiterhin wurde ein Tonband abgespielt, wo einige Familienangehörige Grüße für Weihnachten aufgesprochen hatten. Manchen standen die Tränen in den Augen.
Anwesend waren bei dieser Feier auch einige sowjetische Offiziere, die in etwa sagten, es wäre zu kirchlich.
Eigentlich hatten wir aus diesem Fest das Bestmögliche gemacht. Es war wunderbar und bis heute noch nicht vergessen.

Nach den Festtagen hatte uns der Alltag wieder ein. Die Temperaturen sanken im Durchschnitt auf –30°C, der maximale Tiefwert lag bei –45°C. Im Hafen breitete sich das Eis aus. Täglich mussten wir die Boote freihaken, denn die Eisdicke betrug ca. 50 cm.
Es kam zwar des öfteren ein Eisbrecher, der aber nur die Fahrrinne frei hielt. Das hielt bis Mitte April Anfang Mai an.
Was mir in dieser Zeit als Eisenbahnfreund besonders auffiel, war, dass auf See Eisblöcke geschnitten wurden, am Bahnhof gestapelt, mit Sand abgedeckt und anschließend zum Bestücken der Kühlwagen benutzt wurden. Nach Aussagen hält das bis spät in den Sommer vor.


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Jetzt war es endlich soweit und wir bekamen Landgang wann wir wollten. Wir trafen eine alte Berliner Familie, die in den 30iger Jahren aus Deutschland ausreiste, mit Tränen in den Augen, sie wollten zurück und durften nicht mehr. Wir erfuhren von den Einheimischen, dass Stalin die Esten ausbürgerte und die Russen einquartierte. Für uns war es etwas, was wir in der Schule nicht gelernt hatten. Herbert Greif oder ich fuhren in die Schulen und führten Filme vor. Zum Schluss waren es nur noch estnische Schulen. Trotz DSF.


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Im Sportpalast spielte die Deutsche Nationalmannschaft Volleyball. Wir waren mit beschriebenen Bettlaken dabei. Bei der Ansprache, wir saßen dem Rednerpult gegenüber, begrüßte uns der Präsident Heinz Ewald.
Ein Pflichtbesuch war auch das Russalka - Denkmal. Es erinnert an den Untergang des Russischen Panzerschiffes „Russalka“ im Jahre 1893 im Finnischen Meerbusen. Am Sockel des Denkmals sind die Namen der umgekommenen Seeleute zu finden.



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Heinz Röhr, ULtn. Uhlig und der Autor - es wird langsam Frühling




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Im Laufe der Zeit entwickelten sich auch Freundschaften, vorwiegend mit estnischen Einwohnern. Ich lernte auch eine estnische Studentin kennen. Sie wollte die deutsche Sprache festigen und viel über Deutschland erfahren.
Sie zeigte mir ein Buch, da kam sie mit der Sprache nicht klar. Nach dem ich die Seiten ein paar Mal gelesen hatte, merkte ich, dass sich zwei Dresdner im Dialekt unterhielten. Da hatte ich selber zu tun.
Unser Dolmetscher und noch ein paar Besatzungsmitglieder fuhren am 1. März in die Stadt. In der Straßenbahn gratulierten sowjetische Jugendliche zum Tag der Volksarmee. Sie sangen die Nationalhymne, hatten nur den Text verwechselt. Viele wussten mehr über die BRD als über die DDR.



Landgang



„Heim ins Reich“ geholt werden wollte wahrscheinlich keiner, aber mitgekommen wären bestimmt einige. Vor allem ältere Menschen.
Bei unseren Landgängen passierte es einmal, dass uns eine ältere Dame (vielleicht 70), jeden ans Mützenband sah und sagte, „Aah, Deutsche Kriegsmarine, ich drücke die Daumen das ...
Manchmal waren wir erschrocken über das was wir gelernt hatten und was wir hier vorfanden.



noch einmal vor dem Werfttor



Auch passierte es einmal, wir waren zu zweit an Land, dass uns Passanten zu sich nach Hause einluden. Wir verabredeten uns gegen 17 Uhr am Werfttor. Es war im April (mein Geburtstag). Pünktlich kam ein Moskwitsch, lud uns ein und wir fuhren ca. 20 km auf eine Kolchose. Die ganze Familie war anwesend, ca. 15 Mann, vom Baby bis zur Oma.
„Dienstsprache“ war Deutsch. Für uns hatten sie reichlich aufgetafelt und „Bier“ gebraut (aus Pulver?). Sie hatten viel zu erzählen und wollten sehr viel von uns und Deutschland wissen. Es war ein schöner Abend. Pünktlich, vor 24 Uhr wurden wir wieder am Werfttor abgeliefert. Heute würde ich so etwas nicht wieder machen, aber wir waren ja noch jung.

Die Zeit ging nun langsam dem Ende entgegen.
Damit hier nicht der Eindruck erweckt wird, wir hätten nur Sonderurlaub gehabt, möchte ich auch mal etwas über unseren Tagesablauf schildern.
Ein Teil der Besatzungen waren ständig zur Wache eingeteilt. Die Ari-Besatzung begleitete auf Schritt und Tritt die sowjetischen Spezialisten und schaute ihnen auf die Finger. Unsere zwei Köche hatten ständig mit der Verpflegung zu tun, zumal es noch ein zweites Frühstück gab. Der Rest der Besatzung war mit Wartung, Pflege und Weiterbildung (Selbststudium der Technik) ausgelastet, denn wann hat man so viel Zeit für alle Geräte. Alle vierzehn Tage ging es in die Sauna oder zum Schwimmen in die hiesige Schwimmhalle. Politunterricht viel allerdings aus, aber wir hatten jeden Tag neue Themen, die man auswerten musste.
Das Aufstockungspersonal war inzwischen eingetroffen. Die Werfterprobung wurde mit Erfolg abgeschlossen und unser Boot seeklar gemacht.
Die Munition wurde wieder aufgerüstet. Dazu sind wir zu viert mit sowjetischen Soldaten auf einen LKW ins Munitionslager gefahren. Es waren lauter Erdbunker, wo wir die Munition und unsere Handfeuerwaffen rausholten. Auf der Pier hatten wir eine Gurtmaschine, die aber nach ca. fünf Patronen den Geist aufgab. Wir legten den Gurt (500 Glieder/Rohr) auf den Beton der Pier. Einer legte die Patronen auf, der zweite trat sie mit seiner Hacke mit Gefühl in die Gurtglieder und ein Dritter richtete sie mit einem Alu-Hammer aus. Auf der Pier war kein Mensch mehr zu sehen. Die Gurte wurden eingelegt und dann ging es an die Handfeuerwaffen. Unsere Freunde hatten die Schlosskästen voll mit Fett konserviert. Das war eine Schweinerei beim Putzen.
Dann kam die Seeerprobung, hier kann ich mich nicht so richtig erinnern, man saß in der Vorstartkontrolle und hatte bei dem Trubel kaum eine Chance sich abzutarnen.
Danach wurde noch einmal Verpflegung und Wasser gebunkert, denn am nächsten Tag kam der Schlepper.
Von der 732 haben wir uns verabschiedet, da sie wegen Maschinenschaden noch ca. vierzehn Tage in der Werft bleiben musste.
Die Schleppleine kam über, noch einmal winken und ab in die Heimat.
Hier noch ein paar Motive aus Tallin.


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Jetzt hingen wir wieder am Haken. Die Schleppleinenwache ist eingerichtet und die See ist spiegelglatt.
Unser Funkmaat hat keine Versorgungsprobleme mehr und unsere Waffe brauchte nach diesem Winter auch einmal einen neuen Anstrich. Alles freute sich auf die Heimreise.



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Walter Geier und unser Smut


Das Wetter wird immer besser. Unser neuer Kommandant, Ob.Ltn. Gerhard Tribaneck begutachtet gerade seinen neuen „Dampfer“.



Wir sind damit beschäftigt eine Antenne für unser Radio zu installieren.



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Je näher wir der Heimat kamen, umso besser wurde das Wetter. Alle die Freiwache hatten suchten sich einen Platz an der Sonne.


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Andere machten Erinnerungsfotos, denn wann hat man schon die Möglichkeit dazu.
Die Reise geht nun langsam dem Ende entgegen.
Noch ein paar Fotos, dann geht’s in den Heimathafen.


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Wir lagen auf Reede, die Leinen waren gekappt. Unser Kommandant meldete uns wahrscheinlich an und bestellte einen oder zwei Kästen Bier, die auch prompt bei unserem Eintreffen anwesend waren. Ans Bier kann ich mich genau erinnern, aber wie wir rein sind, ob mit Schlepper oder eigener Kraft ist mir entfallen.
Wir hatten angelegt, Hafenklarzustand hergestellt und unser Bier in Empfang genommen (eine Flasche Strela-Pils). Gleichzeitig kam auch der Befehl an alle, die in Tallin waren, die Koffer zu packen. Wir bekamen alle 21 Tage Sonderurlaub und wurden noch am selben Tag mit einem Bus zum Bahnhof gefahren.



Wenn ich hier noch einmal Rückschau halte, muss ich zusammenfassend sagen:
Wir waren die ganze Zeit wie eine große Familie. Unsere Offiziere waren zwar die Vorgesetzten, aber es herrschte eine aufgelockerte Disziplin. Besonders Leutnant Sirock war wie ein Vater der Besatzung. Wir hatten kein Du-Verhältnis, haben aber offen über alle Probleme die es gab, geredet. Disziplin und Achtung muss nun einmal herrschen, sonst geht alles den Bach runter. Für mich persönlich war es eine ganz neue Erfahrung, die man in der Armeezeit selten erlebt. Es war mit einer der schönsten Zeiten in meinem Leben, die ich nicht vergessen werde oder kann.















Gert Hallbauer

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